Sonntag, 16. November 2014

Zwergenreich

Als das Töchterle vor achtzehn Jahren geboren wurde, wurde ich sehr lieb von meiner Hebamme begleitet. Auch weit über das Wochenbett hinaus. 
Ihr Umgang mit dem Baby war sehr von Achtsamkeit, dem neuen Menschlein gegenüber, geprägt. 
Sie brachte mir bei, wie wichtig ein rythmischen Tagesablauf für ein Baby ist, damit es sich orientieren kann, in dieser doch noch so großen und fremden Welt. 
Ich war sehr fasziniert von der Art und Weise des Umgangs der Hebamme, fasziniert über ihr Weltbild, ihr Menschenbild. 
So wollte ich mehr darüber erfahren. Ich las also alles was ich über die Waldorfpädagogik und die Anthroposphie finden konnte. 
Ich verschlang es gerade zu, denn ich hatte das Gefühl endlich etwas gefunden zu haben, was meine Gefühle und  meine Meinung einen Ausdruck verleiht. 
Wie sehr inspirierten mich die Waldis (so nenen es die Hühner:)). 
Nicht nur in der Pädagogik, auch in vielen anderen Lebensbereichen. 
Ein neuer Waldi wurde geboren, ich wurde zur Waldorfmama. 
Vor allem das Menschenbild hat sich tief in mir eingerägt. Das die Kinder sich uns Eltern raussuchen, gewiss dass wir es sind, die sie durch alle Höhen und Tiefen des Menschseins beleiten können. 
Das eine Seele auf die Erde kommt, die sich nicht erst entwickelt, sonder schon als Ganzes in diesem kleinen Baby lebt, mit all ihrem Wissen und Menschsein. 
Das Erziehung vor allem durch Selbsterziehung stattfindet, da die Kinder doch so vieles durch Nachahmung lernen und im Inneren verankern. 
Das Töchterle und danach alle meine Hühner, wurden nun also nach Waldorfart erzogen. Wobei erzogen, erziehen ja eigentlich als Wort nicht wirklich passt, dann würde ich ja diese Menschenkinder die ja ihren Weg schon sehr genau kennen, in eine Richtung ziehen sie in ihrer Entwicklung einengt. 
Dabei war doch gerade das immer das allerschönste und ist es noch immer. 
Das beobachten und entdecken, was für einen Mensch habe ich da eigentlich vor mir, diesen Menschen kennen lernen zu dürfen, mit ihnen zusammen leben und sogar ihre Mama sein dürfen!
Das Töchterle besuchte den Waldkindergarten, da dieser nun einmal am allerbesten zu ihr passte. Meinem Draußensein Kind. 
Nach ihrer Kindergartenzeit kam sie in die Waldorfschule, ihre Brüder dann auch in den dazugehörigen Waldorfkindergarten. 
Unsere Aufregende Waldorfschulzeit begann, die immerhin schon elf Jahre währt.
Die Waldorfschule besuchen nicht nur die Kinder, irgendwie doch auch wir Eltern. Denn wir haben vielfältige Aufgaben. 
Wir putzen die Schule und Klassenräume, es gibt Arbeitsgruppen zur Gartenpflege, Lehrerseminare müsse organisiert, bekocht und verpflegt werden, der alljährliche Martinsbasar will ausgerichtet sein, was bedeutet das ganze Jahr über wird gebastelt genäht und gewerkelt. 
Auch die Klassen und der Kindergarten direkt haben ihre Aufgaben. Da geht man zu Adventsgärtlein, welches ja auch vorbereitet sein will, Laternenfeste, wo immer Eltern gesucht sind die die leckeren Martinimännchen aus Hefeteig backen und Punsch vorbereiten, Weihnachtsfeiern, Achtklassspiele, große Eurythmievorstellungen...ich glaube ich könnte die List endlos weiterführen;)
Das ist manches mal etwas viel, macht aber auch unheimlich viel Spaß. Da die Arbeit gemeinsam getan kann sehr bereichernd sein kann und lustig und immer wieder auch sehr verquasselt.


Eigentlich haben wir hier auf der Schule schon ganz viel gute Zeiten erlebt. 
Aber eben auch weniger gute. 
Wie immer ist bei jeder Pädagogik ja ganz viel vom Pädagogen abhängig und wenn ein Lehrer nun einmal nicht gut ist, bringt die ganzen gute Ansätze nichts. 
Ein Problem, welches ich doch immer wieder sehe, ist dass das Bild, welches nach außen entsteht, oft nicht nach innen wirkt. Waldorf sieht immer so schön aus, so idyllisch. Mir harmonischen Farben, stimmungsvoll eingerichteten Räumen, Zwergenreichen, seidene Eurythmiekleider und die Kinder die darin stecken Elfengleich. 
Leider gelingt es nicht immer, diese Stimmung den Kinder auch wirklich in ihrem Schulalltag zu vermitteln. 
Auch hier an der Waldorfschule gehört ein Ringen und Streiten und hadern mit dazu.
Wenn ich mir allerdings meine Hühner so betrachte, welch starke Menschen sie doch sind, ist wohl doch auch ganz vieles geglückt!
An diesem Wochenende haben wir wieder Martinimarkt. 
Die Schule ist wunderschön geschmückt, es duftet nach Waffeln und Popcorn, alle Räume sind mit schönen Dingen zum verkaufen bestückt. 
Das Bild nach außen wirkt. Die Menschen laufen staunend über unser schönes Schulgelände, die Kinder flitzen lachend umher, wir Eltern sind froh hier Schuleltern sein zu dürfen.

1 Kommentar:

  1. Oh, das wusste ich ja noch gar nicht! :) Bin auch schon am Überlegen, welchen Weg ich dem Menschlein später anbieten könnte... was Du über die Waldorf-Pädagogik schreibst, klingt gut. Mir ist es nur an vielen Schulen zu dogmatisch... da gibt es ja offensichtlich heftige Schwankungen von Schule zu Schule. Ich hatte mal eine Schülerin, die immer ganz begeistert von ihrer Waldorfschule erzählte.
    Mein Fokus liegt derzeit auf "Freien Schulen" allgemein. Am meisten faszinieren mich ja die "Demokratischen Schulen"... aber die gibt es kaum in Deutschland (Sudbury).
    Die Menschlein einfach Menschen sein lassen, sich selbst entdecken, beobachten, ganz genau. Das wünsche ich mir. Egal, wie die Schule nun heisst.

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