Montag, 10. August 2015

Ich schaue in die Welt...

Am letzten Schultag vor den großen Ferien war das Schulabschlussfest unserer Tochter.
Das Töchterle hatte dieses Jahr Prüfungen und ist nun fertig mit der Schule.
Unglaublich. Vor allem für mich.

Meine liebe Tochter, nun bist du wohl endgültig erwachsen.
Dabei erinnere ich mich doch noch genau, an den Tag des Einschulungsfestes.
Wie du in deinem weißen Kleid, die Haare mit einem Blütenkranz geschmückt, durch das Rosentor liefst.
Wie du in den ersten Schuljahren freudig hüpfend zum Klassenzimmer gesprungen bist. Dort wurdest du von einem Klassenlehrer schon an der Türe erwartet, und mit einem Handschlag begrüßt. Immer, jeden Tag, stand er bereit für euch jeden einzelnen zu begrüßen mit der Klasse den Tag zu beginnen.
Dein Klassenzimmer, wo es keine Stühle und Tische gab, sondern ein großer orientalischer Wollteppich den Boden bedeckte. Ihr Kinder im Kreis auf großen Kissen sitzend, den Geschichten des Lehrers lauschend.
In der Pause habt ihr gemeinsam euer Frühstück bereitet, es gab Müsli, Marmeladen-und Kräutersalzbrote.
Fast täglich seid ihr in den Wald hinter der Schule, wo ihr geklettert seid, steile Wände hinab, welche ich erst Jahre später zu sehen bekam und mein Mamaherz sich fürchterlich erschreckte.
Doch du, kleiner Wildfang, bist durch den Wald gehüpft, mit roten Wangen und einem seligen Lächeln auf dem Gesicht. Kamst du doch vom Waldkindergarten, waren dir die Bäume die besten Freunde.
Morgens wanderte nicht nur deine ausgepackten Stifte und Hefte wieder in den Ranzen, auch unsere selbstgekochte Marmeladen, die tote Biene die du im Garten entdeckt hast, eine seltene Schlüsselblume, Steine, Schneckenhäuser. All deine Schätze hast du mit in die Schule genommen, hast sie im Morgenkreis deinen Mitschülern und Lehrer gezeigt.
Du hast einen so reichen Schatz an Liedern, Tänzen und Reimen bekommen, ihr habt Aquarellbilder gemalt, das Schreiben gelernt, beim Rechnen seid ihr gehüpft, habt mit langen Seilen Formen auf den Boden gelegt.
Am Schuljahresende wurden wir Eltern von euch Kindern eingeladen, zu euch ins Klassenzimmer. Hier zeigtest du uns voller Stolz, was du alles gelernt hast im letzten Schuljahr, was für dich am wichtigsten war.
Erinnerst du dich an das Klassenstück in der sechsten Klasse, Troja? An den wilden Stockkampf, an die in Stabreimen gesprochenen Texte? An die selbst gebackenen Lehmziegel aus denen ihr ein Backhäusle gebaut habt, die Lesenächte im Klassenzimmer?
Oder, natürlich unvergessen, dein Achtklasstück, in dem du das cholerische Temperament verkörpertest. Wie du stampfend und türknallend die Bühne betreten hast und sogar ganz alleine ein schönes Lied gesungen hast?
Die Alpenüberquerung mit schwerem Gepäck, die zwei Wochen auf dem Schulbauernhof und die Nacht beim Köhler im Wald.
Die Oberstufe, in der am Anfang vor allem die neuerworbene Freiheit an erster Stelle stand :)
Aber auch das nun lange geübte selbständige Lernen.
Das Feldmesspraktikum, bei dem dir das Rad mitten im Wald kaputt ging und wir dich zweimal mit dem Auto retten mussten.
Dein Bauernhofpraktikum, bei dem es dir so elend erging, dass dich dein Papa trotz der 800 Kilometer nach Hause holte.
Wie du gekämpft hast, für deine Meinung. Immer. Auch wenn du dafür vor der Lehrerkonferenz vorsprechen musstest.
Wie dir die Eurythmie und die Kunst immer wichtiger wurde und du in den Wochen der Vorbereitung für den Eurythmieabschluss, zusammen mit deinen Mittänzerinnen, eine wundervolle Choreographie entwickelt hast.
Dein Sozialpraktikum in England, bei dem du die Sprache und das Land noch mehr lieben lerntest.
Der Schüleraustausch nach Sankt Petersburg, welcher mir viel viel zu lange erschien.
Jetzt, die letzten Wochen, in denen du so viele Stunden an deiner Holzskulptur gearbeitet hast, dich durchgekämpft hast, wie immer. Trotz der stumpfen Schnitzmesser und der viel zu kurzen Zeit ist dir ein Meisterwerk gelungen.
Nicht nur in der Kunst.
Ach, mein Mädchen, ich bin so stolz.
Und dankbar, für diese Schulzeit, dieses behütet sein. Hier konntest du groß werden, wachsen und dein Ich entfalten.
Nun geht es hinaus in die Welt, wir sind so gespannt, was du uns von dort berichtest.


4 Kommentare:

  1. Hach.... So schön geschrieben. Mein mutterherz weiß, wie du dich fühlst.

    Es ist toll, solch große Kinder zu haben.
    Ganz viele liebe Grüße ... :)

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    1. Ja toll, aber auch ganz schön schwer...dieses Loslassen muss einfach gelernt werden;)

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  2. Herzlichen Glueckwunsch der Tochter zu diesem Meilenstein. So wunderbar ...
    Wie geht es denn fuer sie weiter? Beginnt sie ein Studium?
    Wir sind zwar noch nicht so weit uns genauer mit einer Schulwahl zu beschaeftigen zu muessen, erst mal steht der Kiga an, doch beschaeftig mich dieses Thema schon sehr. Mit welchem Abschluss ist der Waldorfschulabschluss denn zu vergleichen? Es waer schoen wenn du darueber mal ein wenig schreiben koenntest, sowie ueber eure persoenliche Waldorfschul Erfahrungen. Ich bin auf jeden Fall schon total platt welche Praktika deine Kinder machen und vorallem wo. Wow.
    Alles Liebe und dir noch alles alles Gute und ein zauberhaftes neues Lebensjahr.
    Christina

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    1. Ich denke es ist an jeder Waldorfschule anders. Bei uns kann man den Realschulabschluss, Fachhochschulreife und Abitur machen. Egal welcher Abschluss geht die Schulzeit zwölf Jahre, bei Abitur dreizehn. Ich denke ich werde immer wieder über unsere Erfahrungen mit der Schule schreiben, das bleibt bei uns ja nicht aus, wenn ich von uns erzähle gehört dieses Thema schon dazu. Wir haben leider nicht nur gute Erfahrungen machen dürfen, aber wenn ich alle Erlebnisse und Möglichkeiten zusammenfasse, bin ich doch froh und dankbar, dass meine Kinder diese Schule besuchen dürfen.
      Entschuldige, dass du so sehr lange auf die Antwort hast warten müssen. Sei gegrüßt.

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